Zwischen Autor*in und Algorithmus: Generative KI im Verlag

Generative KI wird die Arbeit in Verlagen entlang der gesamten Wertschöpfungskette tiefgreifend verändern. In diesem Beitrag werden die Einsatzmöglichkeiten von generativer KI, aber auch Probleme und Risiken dargestellt und kritisch beleuchtet.

Generative Künstliche Intelligenz (KI) bezeichnet hochentwickelte Algorithmen, die in der Lage sind, neue Inhalte zu erstellen, die von menschlichen Inhalten kaum zu unterscheiden sind, z.B. Texte, Bilder oder Code. Beispiele für solche Technologien sind GPT (Generative Pretrained Transformer), BERT (Bidirectional Encoder Representations from Transformers) und DALL-E, ein KI-System, das aus Textbeschreibungen Bilder erzeugen kann.

Generative KI basiert auf maschinellem Lernen, insbesondere auf neuronalen Netzen, die Muster in großen Datenmengen erkennen und nachahmen. Large Language Models (LLMs) wie GPT-3 nutzen die sogenannte Transformer-Architektur. LLMs verwenden Deep Learning, um Wahrscheinlichkeiten für die Abfolge von Wörtern (Tokens) in einem Text zu berechnen. Jedes Token wird durch einen Vektor repräsentiert und im Kontext der vorhergehenden Token interpretiert, wodurch neue sinnvolle Textsequenzen generiert werden können.

Chancen und Risiken der Generativen KI für Verlage

Generative KI bietet Verlagen eine Vielzahl neuer Möglichkeiten: Sie kann die Produktion von Inhalten grundlegend verändern, die Erstellung personalisierter Inhalte erleichtern und die Effizienz bei der Erstellung und Übersetzung von Texten steigern.

Gleichzeitig bestehen zahlreiche Risiken: Die Qualitätssicherung von KI-generierten Inhalten ist und bleibt eine Herausforderung. Ethische Fragen, insbesondere in Bezug auf das Urheberrecht und die Originalität der Werke, sind weitgehend ungeklärt. Hinzu kommt die Sorge um den Erhalt von Arbeitsplätzen.

Einsatz generativer KI in Verlagen

Generative KI kann entlang der gesamten Wertschöpfungskette eines Verlages eingesetzt werden. Dabei ist es äußerst wichtig, Urheberrechte und Datenschutz (auch der eigenen Daten) zu beachten und eine sorgfältige Qualitätskontrolle zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere für fachliche Aussagen, Zitate, Quellenangaben etc., da ChatGPT und Co. nach wie vor zur Halluzination neigen und Inhalte teilweise „frei erfunden“ sind. Zudem zeigt generative KI ein deutliches Bias. Wird z.B. in Midjourney ein Bild von einem „Mensch“ gewünscht, handelt es sich (fast) immer um einen weißen Mann in mittleren Jahren.

Sollen eigene Daten verwendet oder urheberrechtlich relevante Inhalte erstellt werden, muss eine Version von ChatGPT (oder einem anderen System) verwendet werden, die die Daten nicht öffentlich macht oder für allgemeine Trainingszwecke verwendet. Dies ist z.B. mit der Enterprise-Version von ChatGPT möglich, muss aber im Einzelfall genau geprüft werden.

Einige Beispiele für Einsatzmöglichkeiten von generativer KI im Verlagswesen:

1. Content-Entwicklung und Manuskripterstellung

  • Automatisierte Texterstellung: Einsatz von LLMs zur Erstellung von Textentwürfen, die auf bestimmte Themen oder Genres zugeschnitten sind.
  • Produktentwicklung: KI eignet sich sehr gut zur Unterstützung der Konzeptentwicklung, z.B. von digitalen Angeboten oder Veranstaltungen.
  • Research Support: KI kann bei der Analyse von Marktdaten und Trendprognosen eingesetzt werden. KI-Tools können zur Hintergrundrecherche eingesetzt werden. Dabei ist darauf zu achten, woher die Daten stammen, ob auf das Internet zugegriffen werden kann und ob die Ergebnisse korrekt sind.

2. Lektorat und Textbearbeitung

  • KI-gestütztes Lektorat: Tools wie Grammarly (englisch) oder DeepL Write (deutsch) unterstützen Lektor*innen bei der Grammatik- und Stilprüfung, was die Effizienz des Bearbeitungsprozesses erhöhen kann.
  • Automatisierte Formatierung, z.B. mit KI-Unterstützung in Adobe InDesign: KI kann eingesetzt werden, um Manuskripte gemäß Verlagsstandards zu formatieren.
  • Automatisierte Übersetzung: Verwendung von KI-Übersetzungstools wie DeepL oder Google Translate, um Inhalte kostengünstig und schnell in andere Sprachen zu übertragen. Dies ist vor allem bei Texten möglich, bei denen die Übersetzungsqualität nicht besonders hoch sein muss (z.B. Anleitungen, nicht-literarische Texte).

3. Personalisierung und Zielgruppenanalyse

  • Leser*innenprofilierung und -segmentierung: Durch KI-gestützte Analyse von Nutzerdaten können Verlage KundInnen segmentieren und Inhalte personalisieren.
  • Individuelle Content-Kuratierung: Einsatz von Empfehlungsalgorithmen, um Leser*innen personalisierte Inhalte und Buchempfehlungen zu bieten.

4. Layout und Cover

  • Coverdesign: Suche nach Coverideen mit Midjourney oder DALL-E für das Briefing. Vorsicht bei der Covergestaltung: es entsteht kein Copyright, wenn ausschließlich mit KI gearbeitet wird.
  • automatisiertes Layout: KI-gestützte Software, z.B. mit Adobe InDesign, kann die Layout-Erstellung automatisieren.

5. Marketing und Vertrieb

  • Zielgerichtete Werbung: KI analysiert Verhaltens- und Kaufdaten, um Werbekampagnen zu optimieren und spezifische Zielgruppen über verschiedene Kanäle anzusprechen.
  • Content Marketing: KI-gestützte Systeme helfen bei der Erstellung von Inhalten für das Content Marketing. Aus einem Ausgangstext können verschiedene Content-Formate (z.B. Blog, X, Facebook) automatisiert erstellt werden.
  • Social Media Management: Automatisierte Tools generieren und planen Beiträge für Plattformen wie Facebook, Twitter oder Instagram, analysieren die Interaktion und passen die Strategie entsprechend an, um Sichtbarkeit und Engagement zu erhöhen.

6. Kundenbeziehung und Service

  • Kundenservice: KI-Chatbots bieten Kundenservice und First-Level-Support rund um die Uhr.
  • Feedback-Analyse: KI-Tools werten Kundenfeedback aus, um Trends zu erkennen und die Leser*innenbindung zu verbessern.

Vorteile und Herausforderungen

Durch den Einsatz von generativer KI können Effizienzsteigerungen erzielt werden (z.B. auch beim Schreiben dieses Artikels). Tätigkeiten können automatisiert werden (z.B. Content-Erstellung im Marketing) und so Zeit für andere Tätigkeiten schaffen. Als Sparringspartner bei der Entwicklung von Konzepten oder Businessplänen kann KI neue Perspektiven einbringen und Routinearbeiten und Datenanalysen erleichtern.

Die entscheidende Herausforderung ist und bleibt das Urheberrecht und der Datenschutz. Beim Datenschutz betrifft dies sowohl die eigenen Daten als auch die Daten von Nutzer*innen und Kund*innen, z.B. im Rahmen der Personalisierung.

Urheberrecht

Das Urheberrecht schützt in Deutschland nur Werke, die „persönliche geistige Schöpfungen“ (§2 (2) UrhG) darstellen. Mit KI erstellte Werke sind somit nicht schutzfähig, es sei denn, es liegt erhebliche Bearbeitung durch einen Menschen vor. Eine ähnliche Einschätzung gibt es in den USA. Hier hat ein Bundesgericht im August 2023 entschieden, dass KI-generierte Bilder keinen Urheberrechtsschutz genießen, da für den Urheberrechtsschutz entscheidend ist, dass ein Mensch am Schöpfungsprozess beteiligt ist.

Problematisch ist die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke durch die KI, z.B. zu Trainingszwecken. Hier sieht das Urheberrecht vor, dass Rechteinhaber die Nutzung ihrer öffentlich zugänglichen Werke für Text- und Data Mining untersagen können (Opt-Out-Regelung, § 44b UrhG), wobei bei online zugänglichen Werken ein maschinenlesbarer Nutzungsvorbehalt erforderlich ist. Eine Empfehlung, wie konkret vorgegangen werden kann, gibt der Börsenverein. Dies Problem wird auch in den USA erkannt. Dort klagt die Authors Guild im Namen von über 8.000 Autor*innen, drunter auch viele bekannte Schriftsteller*innen, wegen Urheberechtsverletzungen gegen openAI. „Das Herzstück dieser Algorithmen ist systematischer Diebstahl im großen Stil“, heißt es in der Klage.

Auf EU-Ebene wird am EU AI Act gearbeitet, einer Regulierung von KI. Der EU AI Act soll sicherstellen, dass KI-Systeme sicher, transparent und nachvollziehbar sind. Der vorgeschlagene Gesetzesentwurf sieht vor, dass KI-Systeme je nach Risikoniveau analysiert und entsprechend reguliert werden. Generative KI-Systeme wie ChatGPT werden Transparenzanforderungen unterliegen, wie der Offenlegung, dass Inhalte von KI generiert wurden, und der Verhinderung der Generierung illegaler Inhalte. Im Juni 2023 legte das Europäische Parlament seine Verhandlungsposition für den AI Act fest und strebt eine Einigung bis Ende 2023 an.

Implementierung

Sehr wichtig ist, sich im Verlag mit dem Thema generative KI umfassend auseinanderzusetzen und eine Richtlinie zum Umgang mit KI zu erstellen, wie es beispielsweise die Haufe Gruppe getan hat.

Die erfolgreiche Integration von KI in Workflows beginnt mit einer Analyse der bestehenden Prozesse, um Bereiche zu identifizieren, die von KI profitieren könnten. Der Verlag muss die Ziele, die mit KI erreicht werden sollen, definieren, auch um die Auswahl geeigneter KI-Tools zu ermöglichen. Zu empfehlen ist eine frühzeitige Schulung der Mitarbeitenden zum Thema generative KI, die später durch spezifische Schulungen, z.B. zu Prompting bei der Texterstellung oder zur Bildgenerierung, ergänzt werden kann.

Mit strategischen Pilotprojekten können die Auswirkungen evaluiert werden und Konsequenzen für die Umsetzung gezogen werden. Datenschutz und Datensicherheit sind dabei zentrale Aspekte. Die schrittweise Integration beginnt in einem fokussierten Bereich und wird auf Basis der gesammelten Erfahrungen skaliert. Kontinuierliche Evaluierung und Anpassung sind auch hier notwendig, um die Systeme zu optimieren. Das Feedback der Mitarbeitenden muss einbezogen werden, um die Technologien weiter zu verbessern. Schließlich ist eine rechtliche Prüfung relevant, um sicherzustellen, dass alle KI-gesteuerten Prozesse den rechtlichen Anforderungen entsprechen.

Zukünftige Perspektiven und Geschäftsmodelle

Die Zukunft der Verlagsbranche wird auch von der Integration KI-gestützter Geschäftsmodelle geprägt sein. Mit KI können traditionelle Geschäftsmodelle erweitert und neue Geschäftsmodelle entwickelt werden.

Ein Beispiel ist das On-Demand-Publishing, bei dem KI die Produktion und Verteilung von Inhalten in Echtzeit auf Basis der Leser*inneninteressen steuert. Ein weiteres Modell könnte das personalisierte Publizieren sein, bei dem einzelne Leser*innen oder bestimmte Zielgruppen maßgeschneiderte Inhalte erhalten. Abonnementmodelle könnten durch KI verfeinert werden, indem Vorlieben und Leseverhalten analysiert werden, um personalisierte Inhalte und Pakete anzubieten. Verlage könnten Partnerschaften mit KI-Entwicklern eingehen, um gemeinsam neue Produkte zu entwickeln.

Besonders interessant ist, dass generative KI eine neue, einfache Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine schafft. „Natürlichsprachliche“ Aufforderungen setzt die KI um und antwortet verständlich. Menschen können mit „Maschinen“ sprechen. Dies ermöglicht eine Vielzahl neuer Geschäftsmodelle.

KI-Technologie wird nicht nur die Art und Weise verändern, wie Inhalte erstellt und konsumiert werden, sondern auch neue Wege eröffnen, um auf die sich ständig ändernden Bedürfnisse und Wünsche der Kund*innen einzugehen.

Verlage haben also viele Möglichkeiten, generative KI zu nutzen. Mit der richtigen Strategie können Verlage ihre Effizienz steigern und neue Produkte entwickeln. Allerdings müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen, der Datenschutz und die weitere Entwicklung von KI sehr kritisch beobachtet werden. Die ethischen Herausforderungen sind sehr groß und erfordern gerade von Verlagen ein hohes Maß an Reflexion und Verantwortungsbewusstsein.

Von Martina Steinröder. Dieser Artikel wurde mit Unterstützung von generativer KI (ChatGPT, DeepL Write, Midjourney) erstellt.