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Brillante Ideen sind organisierbar. Julius Robert Oppenheimer | Physiker

I_ „Es wird zu wenig experimentiert und evaluiert“

In einem Interview spricht Dr. Martina Steinröder über die Dos and Don’ts bei der Entwicklung digitaler Produkte.

 

E-Books, Apps, E-Learning-Angebote – digitale Produkte sind in Verlagen nicht mehr wegzudenken. Wie sollten Verlage vorgehen, um solche neuen Geschäftsfelder zu erschließen?

Erfolgsfaktoren bei der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle sind: maximale Kundennähe, sehr gute Kenntnisse des digitalen „State-of-the Art“ und von Trends und Entwicklungen, sowie „interdisziplinäre“ Zusammenarbeit von Anfang an und ein hohes Maß an „open Mind“ und Unabhängigkeit von den klassischen Verlagsstrukturen.

Also von Start-ups lernen?

Ja, Start-Up-Mentalität und Start-Up-Strukturen mit viel Flexibilität, Schnelligkeit und „einfach-Machen statt sich-Nicht-Entscheiden“ sind sehr wichtig.

Welche Rolle spielt heute der Kunde?

Die Kund*nnen spielen in der Entwicklung digitaler Produkte eine zentrale Rolle – von der Produktentwicklung bis zum Launch und darüber hinaus. In den frühen Phasen der Produktentwicklung geht es darum, in die Lebenswelten der Kund*innen einzutauchen, ihre Probleme und Wünsche zu verstehen. Es geht darum Bedürfnisse zu erkennen, Anregungen zu bekommen, sich inspirieren zu lassen. Hierfür gibt es gut geeignete und einfach einsetzbare Methoden, z. B. mit Co-Creation-Ansätzen. Das Selber-Denken bleibt den Innovator*innen und Produktentwickler*innen jedoch nicht erspart, denn Kund*innen sind keine Produktenwickler*innen und Kund*innenwünsche eins zu eins umzusetzen, ergibt keine wirklich erfolgreichen Produkte.

An welcher Stelle der Produktentwicklung sollten Kundenwünsche und –meinungen unbedingt berücksichtigt werden?

In späteren Entwicklungsphasen sollten Kund*innen aktiv in das Testen der Produkte eingebunden werden, vom ersten Click-Dummy bis zu offenen oder geschlossenen Beta-Versionen. So können frühzeitig Produktprobleme erkannt und gelöst werden. Selbstverständlich ist auch nach dem Launch das Feedback der Kunden zur Produktoptimierung und die Analyse des Kund*innenverhaltens sehr wichtig und sollte in digitalen Produkten auch explizit möglich gemacht und vor allem ernst genommen werden.

Wie weit sind die Verlage beim Thema Kunden-Einbindung?

Einige Verlage, wie Gräfe und Unzer oder die Thieme Verlagsgruppe, binden ihre Kund*innen aktiv in die Produktentwicklung ein. Bei vielen anderen Verlagen nimmt meines Erachtens die Erkenntnis zu, dass digitale Produktentwicklung mit intelligenter und methodisch sauberer Einbindung der Kund*innen zu besseren Produkten führt.

Was sind die größten Fehler, die Verlage bei der Umsetzung von digitalen und mobilen Produkten machen? – Was sind Ihre größten Learnings?

Meine wichtigsten Learnings sind:

  • Es wird zu wenig experimentiert und evaluiert. Gerade in den schnellen, digitalen Märkten sollten Angebote auch erst mal mit geringen Investitionen oder mit Partnern entwickelt und schnell auf den Markt gebracht werden. Dann muss das Angebot allerdings sehr genau evaluiert und die Konsequenzen aus den Beobachtungen gezogen werden, für das Produkt selbst, aber auch für alle anderen Angebote.
  • Kund*innenorientierung ist extrem wichtig: Viele Verlage agieren nach wie vor zu stark Content-orientiert und zu wenig kund*innenorientiert. Die zentrale Frage ist nicht „was können wir mit unseren Inhalten machen“, sondern „Wie können wir unsere Kund*innen begeistern“.
  • Digitale Produkte müssen skalierbar sein. Starten Sie mit einem Angebot, evaluieren und optimieren Sie es und rollen Sie dann den Ansatz über eine ganze Produktpalette aus. Beispiele sind: eine Basis-App, die für zahlreiche weitere Angebote genutzt werden kann, wie bei den Pixie-Büchern, oder eine eLearning-Plattform, die dann für diverse Zielgruppen oder Angebotsbündel einsetzbar ist.
  • Modularität und Priorisierung. Produkte sollten modular entwickelt werden und dann Step-by-Step realisiert werden. Digitale Angebote müssen nicht vollständig und allumfassend sein, sondern schnell am Markt und klaren Nutzen bieten. Zuerst sollten nur die Funktionalitäten umgesetzt werden, die den Kern des Angebotes ausmachen und die Value Proposition vermitteln. Auch die Konzentration auf eine Teilzielgruppe und der modulare Aufbau der Inhalte sind wichtig. Dadurch sinkt die Time-to-Market massiv und Nutzer-Feedback kann für die Weiterentwicklung genutzt werden. Erst nach und nach werden dann in weiteren Releases weitere Module oder Features hinzugefügt.
  • Es geht nicht um Einzelprodukte, sondern immer um Angebotsportfolios. Eine App allein funktioniert, außer vielleicht bei Games, nicht. Angebote müssen auf allen Kanälen stattfinden und aufeinander einzahlen – Online, Mobile, bei Facebook und Pinterest und auch mal gedruckt.

Ein Interview von pubiz.de mit Martina Steinröder

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